Dynamische Kerntemperatur – Analyse (DKA) nach Ronny Paulusch Kerntemperaturen neu gedacht

Praxis statt Dogma: Präzise Kerntemperaturen je nach Cut, Reifung, Marmorierung und Fütterung – für messbar bessere Ergebnisse.

Abstract

Die klassische Einteilung von Kerntemperaturen nach Garstufen wie „rare“ oder „medium“ ignoriert zentrale physikalische und biochemische Eigenschaften moderner Fleischqualitäten. Dieses Dossier stellt mit der Dynamischen Kerntemperatur-Analyse (DKA) ein neues Konzept vor, das Kerntemperaturen individuell an Fleischtyp, Reifegrad, Marmorierung, Wassergehalt und Faserstruktur anpasst.
Ziel ist eine präzisere Steuerung des Garprozesses für optimale Textur, Saftigkeit und Aroma. Die DKA verbindet wissenschaftliche Grundlagen mit praxisnaher Anwendung – für Fleischverarbeitung, Gastronomie und kulinarische Ausbildung auf dem nächsten Level.

Executive Summary: Dynamische Kerntemperatur-Analyse (DKA)

  • Klassische Kerntemperaturen wie „56 °C für Medium“ sind veraltet – sie ignorieren Fleischstruktur, Reifung, Wasser- und Fettgehalt.
  • Die Dynamische Kerntemperatur-Analyse (DKA) berücksichtigt thermodynamische Eigenschaften jedes Fleischstücks individuell.
  • Reifungsgrad, Tierkategorie (z. B. Kalb, Färse, Ochse) und Marmorierung bestimmen, bei welcher Temperatur ein Fleischstück optimal wird.
  • Gereiftes Fleisch benötigt oft 4–6 °C weniger Hitze als frisches Fleisch – zart, saftig und aromatisch statt übergart.
  • Hochmarmoriertes Fleisch wie Wagyu bleibt auch bei hohen Temperaturen zart – während mageres, grasgefüttertes Fleisch höhere Temperaturen braucht.
  • Die DKA ersetzt Standardtabellen durch präzise Empfehlungen – für Profis, die Fleischqualität wirklich verstehen und gezielt steuern wollen.
  • Schulungen zur DKA sind praxisnah, wissenschaftlich fundiert und sofort anwendbar – in Küche, Zerlegung, Grill oder Beratung.

Wichtige Faktoren der DKA

  • Muskelfaserstruktur: Fein- oder grobfaseriges Fleisch benötigt unterschiedliche Temperaturen.
  • Wassergehalt & thermische Leitfähigkeit: Gereiftes Fleisch benötigt weniger Energie als frisches Fleisch.
  • Reifeverfahren & Fettverteilung: Wet Aged, Dry Aged und unterschiedliche Marmorierungen verändern die Garbedürfnisse.
  • Fütterung & Rasse: Wagyu, Angus, Grass-fed oder Grain-fed beeinflussen die Hitzebeständigkeit des Fleisches.

Diese Faktoren zeigen, dass die klassischen Kerntemperaturen nicht allgemeingültig sein können.
Ein frisches, nicht gereiftes Steak aus einem Jungbullen mit groben Muskelfasern benötigt eine völlig andere Kerntemperatur als ein 8 Wochen Dry Aged Ribeye von einer hochmarmorierten Färse.

Statt sich an starre „Medium“-Werte zu halten, analysiert die DKA die individuellen Fleischmerkmale und sorgt so für optimale Zartheit, Saftigkeit und Aroma.
Dieses Fachdossier liefert eine moderne, wissenschaftlich fundierte Betrachtung von Kerntemperaturen und zeigt, wie Fleischphysik wirklich funktioniert.

1. Einleitung: Warum diese Thematik relevant ist

Die Bestimmung der optimalen Kerntemperatur von Fleisch ist eine der wichtigsten Grundlagen der professionellen Fleischverarbeitung und Gastronomie.
Über Jahrzehnte hinweg haben sich feste Temperaturwerte für verschiedene Garstufen etabliert.
Werte wie 56 °C für Medium oder 54 °C für Medium-rare werden in Kochbüchern, Fachmagazinen und Ausbildungsmaterialien als Standard weitergegeben.

Doch diese Zahlen stammen aus einer Zeit, in der:

  • Fleischqualität nicht differenziert betrachtet wurde,
  • es kaum Auswahl an Rinderrassen gab,
  • die Fütterung und Reifung keine entscheidende Rolle spielten,
  • physikalische Unterschiede in Muskelfaserstruktur, Wassergehalt und Fettverteilung nicht berücksichtigt wurden.

1.1 Historischer Kontext: Die Entstehung der klassischen Kerntemperaturen

Die heute noch häufig verwendeten Kerntemperaturen stammen aus einer Zeit, in der Fleischqualität eine weitgehend standardisierte Größe war.
Faktoren wie Marmorierung, Reifeprozess oder genetische Vielfalt spielten kaum eine Rolle.

  • Früher gab es in vielen Regionen nur eine dominante Rinderrasse, oft robust, aber nicht zwangsläufig auf Fleischqualität gezüchtet.
  • Das Fleisch wurde selten bewusst gereift – es wurde geschlachtet, zerlegt und innerhalb weniger Tage verarbeitet.
  • Die Textur des Fleisches war fester, die Fasern grober, was bedeutete, dass eine gewisse Kerntemperatur notwendig war, um ein angenehmes Mundgefühl zu erreichen.
  • Die Wissenschaft zur Fleischreifung und deren Einfluss auf Garstufen war schlichtweg noch nicht so weit entwickelt.

Basierend auf diesen Gegebenheiten wurden Temperaturwerte festgelegt, die sich über Jahrzehnte hinweg kaum verändert haben.
Doch mit der modernen Fleischqualität sind diese Werte nicht mehr universell anwendbar.
Heute haben sich die Produktionsmethoden und das Wissen über Fleisch erheblich weiterentwickelt.

1.2 Tradition als Komfortzone – Warum sich veraltete Kerntemperaturen halten

Der Mensch liebt Konstanz. In einer Welt, die sich ständig verändert, bieten feste Regeln Sicherheit.
Zahlen wie 56 °C für Medium sind keine bloßen Empfehlungen – sie sind mentale Ankerpunkte, gewachsen aus Jahrzehnten an Wiederholungen in Kochbüchern,
Ausbildungen und Gesprächen am Grill.

Was einmal als „richtig“ galt, wird selten hinterfragt – besonders wenn es meistens funktioniert.
Die klassische Kerntemperatur ist zur Gewohnheit geworden, ein Überbleibsel aus einer Zeit, in der Fleisch weniger differenziert war.
Und genau diese scheinbare Verlässlichkeit lässt viele zögern, sich von ihr zu lösen.

Doch Fortschritt beginnt oft mit dem Zweifel am Altbewährten.
Die DKA hinterfragt nicht aus Prinzip, sondern weil sich Fleisch, Verarbeitung und Ansprüche weiterentwickelt haben – und weil man mit Wissen mehr erreichen kann als mit Gewohnheit.

„Tradition ist kein Argument – vor allem dann nicht, wenn das Fleisch längst weiter ist als die Tabelle.“
– Ronny Paulusch

1.3 Warum die alten Werte heute nicht mehr stimmen

Die Fleischverarbeitung hat sich enorm weiterentwickelt, und mit ihr haben sich auch die Anforderungen an die Zubereitung verändert.
Drei Hauptfaktoren beeinflussen heute die Kerntemperatur entscheidend:

A) Vielfalt der Rassen und deren Einfluss auf die Fleischbeschaffenheit

  • Während früher nur wenige Rassen für die Fleischproduktion genutzt wurden, gibt es heute eine breite Palette an genetisch optimierten Fleischrindern (z. B. Wagyu, Angus, Charolais).
  • Unterschiedliche Rassen haben unterschiedliche Muskelfasern, Marmorierungsgrade und Fettanteile, was sich direkt auf das Garverhalten auswirkt.

B) Unterschiedliche Reifetechniken und ihr Einfluss auf die Fleischstruktur

  • Früher wurde Fleisch kaum gereift, heute sind Dry Aging, Wet Aging und Extended Aging weit verbreitet.
  • Je nach Reifezeit verändert sich die Fleischstruktur erheblich. Länger gereiftes Fleisch benötigt oft niedrigere Temperaturen, um die gleiche Zartheit zu erreichen.
  • Dry Aged Fleisch beispielsweise hat eine andere Wasserbindung als frisches Fleisch, was sich auf die Wärmeübertragung und somit auf die optimale Kerntemperatur auswirkt.

C) Die Größe der Fleischfasern beeinflusst die Garstufe

  • Muskeln mit feinen Fasern benötigen oft eine niedrigere Temperatur als grobfaserige Fleischstücke.
  • Bei stark marmorierten oder fein strukturierten Fleischstücken kann eine zu hohe Temperatur dazu führen, dass das Fett schneller austritt und das Fleisch trockener wirkt.
  • Die klassische Annahme, dass „Medium immer 56 °C ist“, ignoriert diese Variablen.

 

2. Bedeutung der Muskelfaserstruktur & des Wassergehalts für die Kerntemperatur

2.1 Warum die Muskelfasergröße die Kerntemperatur beeinflusst

Die Struktur der Muskelfasern ist einer der entscheidendsten Faktoren, wenn es um die ideale Kerntemperatur geht.
Fleisch besteht zu einem großen Teil aus Muskelproteinen, Wasser und intramuskulärem Fett.
Diese drei Komponenten beeinflussen die Wärmeaufnahme und damit die optimale Garstufe eines Fleischstücks.

Muskelfasern und Wasserbindung

  • Feinfasrige Muskeln (z. B. Filet, Teres Major) enthalten weniger Wasser und nehmen schneller Wärme auf.
  • Grobfaserige Muskeln (z. B. Flanksteak, Skirt, Hanging Tender) speichern mehr Wasser und benötigen mehr Energie, um dieselbe Kerntemperatur zu erreichen.

Je mehr Wasser im Muskel gebunden ist, desto länger dauert es, bis die gewünschte Kerntemperatur erreicht wird.

Physikalischer Vergleich: Wasser als Wärmepuffer

Beispiel: Zwei Töpfe mit Wasser – ein kleiner mit wenig Wasser und ein großer mit viel Wasser.

  • Der große Topf benötigt deutlich mehr Energie, um das Wasser auf die gleiche Temperatur zu bringen.
  • Der kleine Topf erhitzt sich schneller, weil weniger Wasser vorhanden ist.

Übertragen auf Fleisch:

  • Grobfaseriges Fleisch speichert mehr Wasser → benötigt mehr Hitze → hat eine höhere ideale Kerntemperatur.
  • Feinfaseriges Fleisch speichert weniger Wasser → benötigt weniger Hitze → hat eine niedrigere ideale Kerntemperatur.

Ähnlich verhält es sich mit einem Wasserschlauch:
Ein Schlauch mit großem Durchmesser (grobfaseriges Fleisch) kann mehr Wasser führen, benötigt aber auch mehr Druck (Hitze), um die gleiche Fließgeschwindigkeit (Garstufe) zu erreichen.
Ein Schlauch mit kleinem Durchmesser (feinfaseriges Fleisch) transportiert weniger Wasser, weshalb weniger Druck (Hitze) ausreicht, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

2.2 Tierkategorien und ihre Muskelfasereigenschaften

Die Tierkategorie hat einen entscheidenden Einfluss auf die Fleischstruktur und damit auf die optimale Kerntemperatur.
Alter, Geschlecht und Hormonstatus bestimmen die Muskel- und Fettentwicklung, was sich direkt auf das Garverhalten auswirkt.

Beispiel-Cut: Flacher Rücken / Striploin

Kategorie Alter Fleischstruktur Fettanteil KT (°C) Medium-rare Frisch KT (°C) Medium Frisch KT (°C) Durch Frisch
Kalb Bis ca. 8 Monate Sehr feinfasrig, wenig ausgeprägte Muskelfasern Sehr gering, kaum Marmorierung 54 – 56 56 – 58 62 – 65
Jungbulle Ca. 12 – 24 Monate Grobfaseriger als Kalb, fester Biss Gering, wenig Marmorierung 54 – 56 58 – 60 60 – 65
Färse Ca. 24 – 36 Monate Feiner als Jungbulle, zarter und aromatischer Mittelhoch, gute intramuskuläre Fetteinlagerung 52 – 54 56 – 58 58 – 62
Ochse Mind. 24 – 48 Monate Besonders zart durch langsamere Muskelentwicklung Hoch, viel intramuskuläres Fett 50 – 52 55 – 56 56 – 60

Zusammenfassung

  • Jungbullenfleisch ist das wasserreichste Fleisch und benötigt die höchste Kerntemperatur.
  • Kalbfleisch ist feinfaserig, hat wenig Fett und muss vorsichtig gegart werden.
  • Ochsenfleisch ist durch längeres Wachstum und hohe Marmorierung mürber und kommt mit niedrigeren Temperaturen aus.

Zwischenfazit

  • Fleisch mit viel Wassergehalt benötigt mehr Energie zum Garen.
  • Reifung entzieht Fleisch Wasser, wodurch es bei niedrigeren Temperaturen perfekt wird.
  • Dry Aged Fleisch gart schneller und sollte mit bis zu 4–6 °C weniger Hitze behandelt werden.
  • Grobfaseriges Fleisch braucht mehr Temperatur als feinfaseriges Fleisch.

Beispiel aus der Praxis

Ein frisches Jungbullen-Rumpsteak (wet aged) benötigt ca. 58–60 °C, um dieselbe Zartheit zu erreichen,
die eine Färse (dry aged) bereits bei 54–56 °C entwickelt.

3. Einfluss der Reifung: Warum gereiftes Fleisch weniger Energie benötigt

3.1 Warum Reifung die Kerntemperatur verändert

Während des Reifeprozesses verliert Fleisch Wasser. Dieser Wasserverlust führt dazu,
dass sich die thermischen Eigenschaften des Fleisches verändern:

  • Wet Aged Fleisch (14–30 Tage): verliert verhältnismäßig wenig Wasser, verhält sich thermisch ähnlich wie frisches Fleisch.
  • Dry Aged Fleisch (30+ Tage): verliert bis zu 30 % Wasser, wodurch es sich schneller erhitzt und weniger Energie benötigt.

Wasserverlust und Kerntemperatur – Der Zusammenhang

  • Weniger Wasser bedeutet eine schnellere Erwärmung des Fleisches.
  • Gereiftes Fleisch erreicht seine optimale Konsistenz bei geringeren Temperaturen als frisches Fleisch.

Vergleich

  • Ein frisches Ribeye benötigt für Medium etwa 54–56 °C.
  • Ein 6 Wochen Dry Aged Ribeye erreicht die gleiche Zartheit bereits bei 50–54 °C.
  • Sehr lange gereiftes Fleisch (> 8 Wochen) kann schon bei 48–50 °C optimal sein.

3.2 Enzymatische Prozesse während der Reifung

Während der Reifung durchlaufen die Proteine und Zellstrukturen des Fleisches verschiedene Veränderungen,
die die Kerntemperatur beeinflussen:

  1. Autolytische Enzymaktivität
    • Enzyme wie Calpain und Cathepsine bauen Muskelproteine ab, wodurch sich die Struktur auflockert.
    • Gereiftes Fleisch benötigt weniger Temperatur, um zart zu werden.
  2. pH-Wert-Veränderung
    • Während der Reifung sinkt der pH-Wert, wodurch das Fleisch weniger Wasser binden kann.
    • Weniger Wasser = geringerer Wärmebedarf beim Garen.
  3. Oxidation und Fettabbau
    • Intramuskuläres Fett verändert sich durch Oxidationsprozesse, was die Wärmeleitfähigkeit des Fleisches beeinflusst.

3.3 Vergleich: Frisches vs. gereiftes Fleisch

Eigenschaft Frisches Fleisch (0–7 Tage) Wet Aged Fleisch (14–30 Tage) Dry Aged Fleisch (30+ Tage)
Wassergehalt Hoch Mittel Gering
Zellstruktur Unverändert Leichte Lockerung Stark aufgelockert
Enzymatische Aktivität Kaum vorhanden Beginnend Sehr hoch
pH-Wert 5,4 – 5,6 5,6 – 5,8 5,8 – 6,0
Notwendige Kerntemperatur (Medium) 56 – 58 °C 54 – 56 °C 50 – 54 °C

Konsequenz für die Praxis

  • Frisches Fleisch benötigt mehr Temperatur, um auf den gewünschten Garpunkt zu kommen.
  • Gereiftes Fleisch (besonders Dry Aged) kann bei 4–6 °C niedrigeren Temperaturen gegart werden, um die gleiche Zartheit zu erreichen.

Bei richtiger Reifung und entsprechender Fleischauswahl, beispielsweise einem Iberico aus Eichelmast,
sind selbst bei der Presa aus dem Nacken Kerntemperaturen von 46 °C möglich.
Grund dafür ist die feine Marmorierung und das besondere intramuskuläre Fett des Iberico-Schweins,
das bei niedrigen Temperaturen bereits beginnt zu schmelzen.
Dadurch bleibt das Fleisch außergewöhnlich saftig und entwickelt ein intensives Aroma,
ohne dass es höhere Temperaturen benötigt.

4. Praxisanwendung: Die richtige Kerntemperatur nach Fleischart & Cut

4.1 Warum nicht jeder Cut dieselbe Kerntemperatur haben kann

Jeder Zuschnitt (Cut) hat eine andere Struktur, Fasergröße, Fettverteilung und Wasserbindung.
Daher kann nicht jeder Cut mit derselben Kerntemperatur gegart werden.

  • Feinfaserige Cuts brauchen niedrigere Temperaturen, um zart zu bleiben.
  • Grobfaserige Cuts benötigen höhere Temperaturen, um eine angenehme Konsistenz zu erreichen.
  • Cuts mit viel intramuskulärem Fett (Marmorierung) sind hitzebeständiger.

Daher müssen Kerntemperaturen für jedes Stück individuell angepasst werden.

4.2 Die optimale Kerntemperatur nach Cut & Reifezustand

Cut Struktur Fettgehalt Empfohlene Kerntemperatur (Medium)
Filet Sehr fein Niedrig Frisch: 54–56 °C, Dry Aged: 48–52 °C
Ribeye Mittel Hoch Frisch: 54–56 °C, Dry Aged: 50–54 °C
Flanksteak Grob Niedrig Frisch: 58–60 °C, Gereift: 54–56 °C
Bavette Mittel – Grob Mittel Frisch: 56–58 °C, Gereift: 52–54 °C
Skirt / Hanging Tender Grob Hoch Frisch: 62–64 °C, Gereift: 60–62 °C
Prime Rib Mittel – Grob Hoch Frisch: 54–56 °C, Dry Aged: 50–54 °C

Warum diese Unterschiede?

  • Filet & Teres Major haben feine Fasern und benötigen niedrigere Temperaturen.
  • Ribeye & Striploin sind gut marmoriert und profitieren von Dry Aging, das niedrigere Temperaturen ermöglicht.
  • Flanksteak & Bavette haben grobe Fasern mit hohem Wassergehalt – sie benötigen eine höhere Temperatur, um ihre Zartheit zu entfalten.
  • Short Rib & Prime Rib enthalten viel Bindegewebe, das nur bei langen Garzeiten und höheren Temperaturen in Gelatine umgewandelt wird.

4.3 Vergleich: Wie sich Cuts unter Hitze verhalten

Cut Wassergehalt Temperaturverhalten
Filet Niedrig Sehr empfindlich auf hohe Temperaturen, da kaum Fett vorhanden ist.
Ribeye Mittel Sehr hitzeresistent dank hoher Marmorierung.
Flanksteak Hoch Muss höher gegart werden, um eine gute Konsistenz zu erreichen.
Short Rib Hoch Muss über lange Zeit langsam gegart werden, um Kollagen in Gelatine umzuwandeln.

Konsequenz für die Praxis

  • Ein Filet kann bei 52 °C butterzart sein, während ein Flanksteak bei dieser Temperatur noch zäh bleibt.
  • Ein Ribeye kann sehr flexibel gegart werden, während Short Ribs durch hohe Temperaturen mürbe werden müssen.

5. Einfluss von Fütterung und Marmorierung auf die Kerntemperatur

5.1 Warum die Fütterung die Fleischstruktur und Wärmeaufnahme beeinflusst

Die Art der Fütterung hat direkten Einfluss auf:

  • Muskelfaserstruktur (fein vs. grob)
  • Intramuskuläres Fett (Marmorierung)
  • Feuchtigkeit und Wasserhaltekapazität

Fütterung kann grundsätzlich in zwei Kategorien unterteilt werden:

  1. Grasgefüttertes Fleisch (Grass-fed)
    • Magerer, weniger intramuskuläres Fett
    • Höhere Dichte der Muskelfasern
    • Fleisch ist oft fester und trocknet schneller aus
    • Benötigt höhere Temperaturen (z. B. 56–58 °C für Medium)
  2. Getreidegefüttertes Fleisch (Grain-fed)
    • Mehr intramuskuläres Fett → bessere Wärmeleitfähigkeit
    • Zartere Fleischstruktur
    • Kann bei niedrigeren Temperaturen zubereitet werden (z. B. 52–56 °C für Medium)

Praxisbeispiel

  • Ein grasgefüttertes Rumpsteak hat weniger Fett und muss auf ca. 58 °C gegart werden, um mürbe zu sein.
  • Ein Wagyu-Rumpsteak hat viel intramuskuläres Fett und bleibt schon bei 52–54 °C saftig und zart.

Gleichzeitig verträgt es aber auch deutlich höhere Temperaturen von bis zu 70 °C, ohne qualitativ einzubüßen.
Grund für diese hohe Temperaturresistenz ist die außergewöhnlich hohe Marmorierung und die feine Fettverteilung,
die wie ein innerer Schutzfilm wirkt: Das Fett schmilzt langsam, umhüllt die Fleischfasern und schützt sie vor dem Austrocknen.
Selbst bei längerer Hitzeeinwirkung bleibt Wagyu dadurch erstaunlich zart, saftig und aromatisch.

5.2 Einfluss der Marmorierung auf die Temperaturstabilität

Marmorierung ist das feine intramuskuläre Fett, das in hochwertigen Fleischsorten (z. B. Wagyu, US Prime Beef) stark ausgeprägt ist.

Warum beeinflusst Fett die Kerntemperatur?

  • Fett ist ein besserer Wärmeleiter als Wasser.
  • Fett schmilzt bereits bei ca. 30–40 °C → Dadurch bleibt das Fleisch zart, auch bei niedrigen Temperaturen.
  • Mageres Fleisch ohne Fett trocknet bei hohen Temperaturen schneller aus.

Deshalb kann Wagyu oder hochmarmoriertes Ribeye bereits bei 50–52 °C butterzart sein,
während ein fettarmes Filet bei dieser Temperatur noch roh wirkt.

5.3 Praxisvergleich: Kerntemperaturen von marmoriertem vs. magerem Fleisch

Fleischart Marmorierung Empfohlene Kerntemperatur (Medium)
Grass-fed Rind (wenig Fett) Gering 56–58 °C
US Prime Beef (mäßige Marmorierung) Mittel 54–56 °C
Wagyu (sehr hohe Marmorierung) Hoch 50–54 °C (siehe auch 5.1.2)

Zusammenfassung

  • Je höher die Marmorierung, desto niedriger kann die ideale Kerntemperatur sein.
  • Mageres Fleisch braucht höhere Temperaturen, um nicht zäh zu bleiben.

5.4 Kauf mit Köpfchen: Qualität beginnt vor dem Garen

Für perfekten Genuss reicht es nicht, erst beim Garen über Kerntemperaturen nachzudenken –
die Weichen werden bereits beim Einkauf gestellt. Entscheidend ist, welche Tierkategorie,
welcher Cut und welche Reifung gewählt wird. Ein und dasselbe Stück Fleisch kann völlig unterschiedlich reagieren,
je nachdem, ob es vom Kalb, Jungbullen, der Färse oder vom Ochsen stammt – und ob es frisch, wet aged oder dry aged ist.

Pauschale Hinweise wie „Bratenfleisch“ oder „Steak geeignet“ auf Verpackungen sind nicht nur ungenau,
sondern im professionellen Kontext schlicht unbrauchbar. Wer Fleisch richtig zubereiten will,
muss wissen, was er vor sich hat – alles andere ist Glückssache.

Die Dynamische Kerntemperatur-Analyse (DKA) beginnt also nicht erst am Grill oder in der Küche,
sondern schon an der Theke – mit der bewussten Auswahl des richtigen Stücks.

6. Praxisanwendung: Wie das neue Wissen die Fleischzubereitung optimiert

6.1 Warum die klassische Temperaturtabelle nicht mehr ausreicht

Bisher wurden starre Kerntemperaturwerte verwendet, um Garstufen zu definieren.
Doch diese Tabellen berücksichtigen nicht die Unterschiede zwischen:

  • Fein- und grobfaserigem Fleisch
  • Gereiftem vs. frischem Fleisch
  • Marmoriertem vs. magerem Fleisch
  • Verschiedenen Fütterungsmethoden

Folge: Fleisch wird entweder übergart oder nicht optimal zubereitet,
weil nicht alle thermischen Eigenschaften berücksichtigt werden.

6.2 DKA – Temperaturmodell: Optimierte Kerntemperaturen nach Fleischtyp, Reifung und Struktur (Medium)

Fleischart & Zustand DKA KT Besonderheiten
Frisch / Kurz gereift (Wet Aged, < 14 Tage) 56–58 °C Ähnlich frischem Fleisch, benötigt mehr Hitze zur Gerinnung
Wet Aged (14–30 Tage) 54–56 °C Erhöhte Zartheit, moderate Temperaturreduzierung möglich
Dry Aged (30+ Tage) 48–54 °C Reduktion des Wassergehalts, schnellere Erwärmung, 4–6 °C weniger nötig
Wagyu / Stark marmoriert 50–54 °C Hoher Fettgehalt sorgt für sehr gleichmäßige Wärmeverteilung → verträgt Temperaturen bis 74 °C
Grasgefüttertes Fleisch (festere Faser) 56–58 °C Dichtes Muskelgewebe, benötigt mehr Temperatur zum Aufbrechen
Grobfaseriges Fleisch (Flank, Hanging Tender, Skirt) 60–62 °C Muskulöse Struktur mit hohem Wassergehalt, benötigt hohe Temperaturen
Hüfte, TriTip 56–58 °C Gröbere Struktur, erhöhter Wassergehalt, höhere Temperatur
Feinfasriges Fleisch (Filet, Teres Major) 52–54 °C Feinfasrige Struktur, geringerer Energiebedarf, niedrige Temperaturen ausreichend

Diese Werte basieren auf den spezifischen Wärmeaufnahme-Eigenschaften jedes Fleischtyps.

6.3 Klassische Kerntemperatur vs. Dynamische Kerntemperatur-Analyse (DKA)

Aspekt Klassische Kerntemperatur Dynamische Kerntemperatur-Analyse (DKA)
Grundprinzip Starre Temperaturwerte für Medium, Rare & Co. Individuelle Temperaturanpassung je nach Fleischstruktur, Reifung, Wassergehalt & Marmorierung
Faktor Muskelfaser-Struktur Nicht berücksichtigt Grobfasrige Fleischstücke benötigen höhere Temperaturen als feinfaserige
Reifegrad & Wassergehalt Ignoriert Gereiftes Fleisch benötigt bis zu 6 °C weniger Hitze
Fettverteilung & Marmorierung Einheitliche Werte für alle Fleischstücke Hochmarmoriertes Fleisch (z. B. Wagyu) verträgt deutlich höhere Temperaturen ohne Qualitätsverlust
Flexibilität One-Size-Fits-All-Ansatz Maßgeschneiderte Kerntemperaturen für maximale Qualität
Endergebnis Gutes Fleisch kann falsch gegart werden Perfekter Garpunkt für jedes Stück, maximaler Genuss

Mit der DKA wird Fleisch nicht nach einer starren Regel gegart, sondern genau so, wie es seine individuelle Struktur verlangt. Nur so wird aus gutem Fleisch ein perfektes Geschmackserlebnis.

6.4 Praxiswissen nutzen – Die DKA in der Anwendung erlernen!

Die Dynamische Kerntemperatur-Analyse (DKA) ist nicht nur Theorie – sie verändert die Art, wie Fleisch gedacht, bewertet und zubereitet wird.
Metzger, Köche, Grillmeister und Fleischprofis können die Methode direkt bei Ronny Paulusch in einer individuellen Schulung oder Beratung erlernen –
praxisnah, nachvollziehbar und sofort anwendbar.

Inhalte der Schulung

  • Anpassung der Kerntemperaturen an Fleischstruktur, Reifegrad und Zuschnitt
  • Verständnis für die niedrigeren Temperaturbedarfe bei Dry Aged Fleisch
  • Analyse des Einflusses von Marmorierung und Wassergehalt auf die Wärmeaufnahme
  • Anwendung der DKA-Methode in Fleischverarbeitung, Küche und Grillpraxis

Schulungsformate: Inhouse-Schulungen für Betriebe | Online-Coachings und Webinare

6.5 Wie Profis dieses Wissen nutzen können

  1. Berücksichtigung der Fleischstruktur bei der Temperaturwahl
    • Ein Filet sollte nicht wie ein Flanksteak behandelt werden.
    • Grobfaseriges Fleisch kann bei niedrigen Temperaturen zäh bleiben.
  2. Anpassung der Gartechnik an den Reifegrad
    • Dry Aged Fleisch kann mit 4–6 °C weniger Hitze zubereitet werden.
    • Frisches Fleisch braucht höhere Temperaturen für den gleichen Effekt.
  3. Bewusstere Nutzung von Fütterung & Fettgehalt
    • Ein grasgefüttertes Steak benötigt mehr Hitze als ein stark marmoriertes Wagyu.

Dieses neue Verständnis führt zu besseren Garergebnissen, mehr Saftigkeit und perfekter Textur.

7. Fazit: Warum dieses Wissen die Fleischzubereitung revolutioniert

  • Kerntemperaturen sind nicht starr, sondern dynamisch abhängig von Fleischstruktur, Wassergehalt, Fettverteilung und Reifung.
  • Durch Berücksichtigung dieser Faktoren lässt sich das perfekte Garergebnis erzielen.
  • Die klassische „56 °C für Medium“-Regel ist zu ungenau – es gibt deutlich bessere, präzisere Werte.
  • Gute Köche und Metzger arbeiten mit Erfahrung – exzellente Experten arbeiten mit Wissen.
  • Die klassische Kerntemperatur ist die Sahnehaube auf dem Eisbecher. Ein solides Grundkonzept.
    Doch wer Fleisch richtig versteht, setzt noch die Cocktailkirsche obendrauf –
    und genau das macht den Unterschied zwischen einem Handwerker und einem Experten.
  • Wer Kerntemperaturen gezielt anpasst, hebt die Qualität seiner Zubereitung auf ein neues Level.

Die Dynamische Kerntemperatur-Analyse (DKA) nach Ronny Paulusch definiert das Garen von Fleisch neu.
Statt sich an starre Temperaturwerte zu halten, passt sich die Temperatur dem Fleisch an – nicht umgekehrt.
Denn am Ende geht es nicht um eine Zahl in einem alten Kochbuch, sondern darum, das perfekte Steak zu servieren.

8. DKA im Diskurs – Antworten auf die häufigsten Einwände

8.1 Was soll an 56 °C bitte falsch sein?

56 °C ist nicht falsch – aber eben nicht immer richtig. Die DKA schaut tiefer: auf Faserstruktur, Reifung, Fett und Wasser.
Nicht alles, was seit Jahrzehnten funktioniert, ist auch optimal.

8.2 Das ist doch nur Marketing …

Wenn präzise Kerntemperaturen auf Fleischphysik treffen, ist das kein Marketing – sondern Handwerk 2.0.
Die DKA ist wissenschaftlich begründet, praxisorientiert entwickelt und am Gaumen spürbar.

8.3 Früher ging’s auch ohne sowas.

Stimmt. Und früher fuhr man auch ohne Navi. Heute geht’s eben genauer, effizienter – und deutlich genussvoller.

8.4 Wieder so ein Trend, den keiner braucht…

Das sagen manche – bis sie den Unterschied schmecken. DKA ist kein Trend. Es ist Präzision, die wirkt.
Und sie kommt nicht aus dem Lehrbuch – sondern aus dem Reifeschrank.

8.5 Was soll das überhaupt bringen?

Ganz einfach: Mehr Zartheit. Mehr Saft. Mehr Kontrolle. Die DKA macht sichtbar, was Fleisch wirklich braucht –
und wann’s perfekt ist. Ohne Ratespiel. Ohne Standardtabellen.

8.6 Ist das wissenschaftlich überhaupt belegt?

Die DKA basiert auf realen physikalischen Prozessen: Wasserbindung, Wärmeleitung, Strukturabbau.
Wer Fleisch versteht, erkennt: Das ist mehr als belegt – das ist längst überfällig.

8.7 Das war doch schon immer so, oder?

Vielleicht ja – aber keiner hat’s je sauber eingeordnet. Es stimmt: Wer lange mit Fleisch arbeitet, spürt Unterschiede intuitiv.
Aber die Dynamische Kerntemperatur-Analyse (DKA) bringt zum ersten Mal ein System dahinter:
Warum welches Fleisch wann wie viel Hitze braucht – abhängig von Struktur, Reifung, Wassergehalt und Fettverteilung.
Was früher Gefühl war, ist heute Methode.

9. Ausblick

Die klassischen Garstufen sind ein Relikt aus einer Zeit, in der Fleischqualität noch keine große Rolle spielte.
Heute, mit der Vielfalt an Rassen, Reifemethoden und Fleischstrukturen, müssen wir Kerntemperaturen differenzierter betrachten.
Wer weiterhin stur an den alten Werten festhält, riskiert, das volle Potenzial von hochwertigem Fleisch nicht auszuschöpfen.

Dies ist kein statisches Thema – im Gegenteil, es gibt noch viel zu erforschen.
Vielleicht wird es in Zukunft möglich sein, mithilfe neuer Technologien oder Algorithmen individuell berechnete Garstufen für jedes Stück Fleisch zu bestimmen.

Metzger, Köche, Griller – schlicht alle, die mit hochwertigem Fleisch arbeiten, sollten sich von veralteten Temperaturtabellen lösen.
Die klassische Einteilung in starre Kerntemperaturen ignoriert die entscheidenden Faktoren:
Muskelfaserstruktur, Wassergehalt, Reifeprozess und Marmorierung.

Die Dynamische Kerntemperatur-Analyse (DKA) nach Ronny Paulusch zeigt, dass Fleisch nicht nach Standardwerten gegart werden kann – sondern nach seinen individuellen thermischen Eigenschaften behandelt werden muss. Nur wer diese Prinzipien versteht und anwendet, kann das volle Potenzial von hochwertigem Fleisch entfalten.

Die Zukunft der Fleischzubereitung ist dynamisch – die DKA ist der Schlüssel dazu!

Fachdossier Kerntemperaturen

Dipl. Fleischsommelier Ronny Paulusch
M.E.A.T. GmbH
Lannesstr. 55/140
A-1220 Wien
r.paulusch@gmail.com
+43 (0) 660 548 74 01

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